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1870 - 1918

Die Zeit des Kaiserreiches

1870 / 1871

Napoleon III. der sich bereits im Deutschen Krieg Hoffnungen auf Kompensationen am Rhein gemacht hatte und später vergeblich versuchte, Preußen zur Einwilligung der Annexion von Belgien und Luxemburg zuzustimmen, befürchtet durch die Kandidatur des katholischen Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen für den spanischen Thron eine preußische Hegemonie in Europa.

Obwohl Preußen auf die Kandidatur verzichtet, fordert Napoleon III. aus Prestigegründen eine Garantie des Verzichts. In Bad Ems kommt es deshalb zu einem Treffen zwischen Wilhelm I. und dem französischen Botschafter Vincent Graf Benedetti. Auf Bismarcks Veröffentlichung der "Emser Depesche" hin erklärt Frankreich Preußen den Krieg.

Für Frankreich völlig unerwartet treten alle süddeutschen Staaten mit in den Krieg ein und besiegen Frankreich am 2. September 1870 bei Sedan und nehmen Napoleon III. gefangen. Damit verliert Frankreich den Deutsch-Französischen Krieg und muss als Wiedergutmachung Elsaß-Lothringen an Deutschland abtreten.

Bismarck nutzt die nationale Begeisterung zur Gründung des deutschen Kaiserreichs. Am 18. Januar 1871 wird Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert.

1875

Einführung des dezimalen Maß- und Gewichtssystems. Damit wird das seit Jahrhunderten herrschende Chaos im deutschen Maß- und Gewichtssystem - jedes Fürstentum und jede Reichsfreie Stadt hatten ihr eigenes Maßsystem - endlich beseitigt. Das Währungssystem wird von Gulden auf Goldmark umgestellt.

1882

Zwischen Zeilsheim und Sindlingen wird eine Haltestelle an der Bahnlinie Frankfurt - Wiesbaden (heute: Bahnhof Sindlingen) eingerichtet. Eine Haltestelle an der Bahnlinie Frankfurt - Limburg war 1875 am Protest der Zeilsheimer Landwirte gescheitert.

1885

Endlich kann die Frage der offenen Pfarrbesoldung geklärt werden, an der die Erfüllung der seit fast 200 Jahren erhobenen Forderung nach einer eigenen Pfarrei gescheitert war. Der ledige Landwirt Michael Weil stiftet der Kirchengemeinde 20.000, der Witwer Andreas Weil 6.857 Goldmark. Mit dieser Stiftung kann nicht nur die Pfarrstelle eingerichtet, sondern auch ein Pfarrhaus angekauft werden.

1888

Obwohl bereits 1885 alle Bedingungen zur Errichtung einer eigenen Pfarrei erfüllt werden konnten, wird Zeilsheim erst am 27. September 1888 per Dekret selbständige Pfarrei, da sich die vom Limburger Ordinariat mit der preußischen Provinzregierung in Wiesbaden aufgenommenen Verhandlungen über 3 Jahre hinzogen.

1889

Am 1. April wird Friedrich Sehrbrock zum ersten Pfarrer der selbständigen Pfarrei ernannt.

sehrbrock

Pfarrer Friedrich Sehrbrock

Pfarrer von Zeilsheim vom 01.04.1889 bis 31.03.1911

* 12.04.1846 in Lünen (Westfalen)
+ 27.08.1911 in Zeilsheim

 

 

In dem noch stillen, abgelegenen Bauerndorf leben zu diesem Zeitpunkt 523 Katholiken.

Zeilsheim ist noch immer ein fast ausschließlicher katholischer Ort. So leben 1889 gerade mal 10 Protestanten in Zeilsheim. Kirchlich gehören die protestantischen Mitchristen zur Kirchengemeinde Oberliederbach, das bereits 1552 evangelisch geworden war und blieb.

Da das alte Schulhaus neben der Pfarrkirche den Schülerzahlen nicht mehr Stand halten kann, wird die alte Pfarrscheune gegenüber der Kirche (heute steht dort das Pfarrgemeindezentrum) zur Schule umgebaut. Außerdem wird eine zweite Lehrerstelle geschaffen, um den Unterricht ordnungsgemäß abhalten zu können.

1899

Am 23. Juni spendet Bischof Dominikus Willi erstmals 84 Jungen und Mädchen das Sakrament der Firmung.

Die Zahl der evangelischen Christen in Zeilsheim ist inzwischen auf 34 angewachsen. Die kirchliche Betreuung der protestantischen Gemeinde wird vom Höchster Seelsorgebezirk Sindlingen übernommen. In Ermangelung eines eigenen Gotteshauses wird in der Zeilsheimer Schule 14-tägig ein eigener Gottesdienst für die Zeilsheimer Protestanten gehalten.

1899 - 1902

Die Farbwerke Hoechst AG bauen neben dem Bauerndorf eine große Arbeitersiedlung mit 100 Wohnungen in 45 Doppel- und 10 Einzelhäusern, genannt "Kolonie". Die Einwohnerzahl wächst durch die zuziehenden Arbeiter rapide an. Durch den Zuzug von Außerhalb wächst mit der Zahl der Einwohner auch der Anteil der evangelischen Christen in Zeilsheim stark an. Zeilsheim ist nun wirklich kein rein katholischer Ort mehr.

Auch die Schule ist mittlerweile viel zu klein und die Farbwerke errichten daher im Jahre 1901 ein zweistöckiges Schulgebäude (Nordwestflügel der heutigen Käthe-Kollwitz-Schule) mit acht Unterrichts- und zwei Lehrmittelräumen.

kks 1910
Käthe-Kollwitz-Schule um 1910

1902

Der evangelische Seelsorgebezirk Sindlingen wird von Höchst abgetrennt und zur selbständigen Kirchengemeinde Sindlingen-Zeilsheim erhoben. Die evangelischen Mitchristen besitzen jedoch noch immer kein eigenes Gotteshaus in Zeilsheim.

ab 1904

In Zeilsheim werden langsam auch die modernen technischen Standards eingeführt, die bereits in den umliegenden Ortschaften gegen Ende des vorangegangenen Jahrhunderts Einzug gehalten haben:

1904: Zeilsheim erhält eine Postagentur
1905: Straßenbeleuchtungen mit Petroleumlampen werden installiert
1911: Zeilsheim wird an das elektrische Stromnetz angeschlossen
1914: Zeilsheim wird an das Gasleitungsnetz angeschlossen

1910

Die Farbwerke beenden den zweiten Bauabschnitt der "Kolonie". Die Bevölkerung wächst um fast 300% von 1081 Einwohnern im Jahre 1900 auf 2797.

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Ansicht Zeilsheims um 1910 (Pfarrkirche in der Bildmitte)

1911

Pfarrer Friedrich Sehrbrock geht in den Ruhestand. Als Nachfolger wird Pfarrer Heinrich Weil am 9. April 1911 feierlich in sein Amt eingeführt.

Pfarrer Heinrich Weil

Heinrich Weil

Pfarrer von Zeilsheim vom 01.04.1911 bis 31.12.1924

* 07.04.1877 in Oberselters
+ 29.05.1940 in Eibingen

 

 

Die Dernbacher Ordensgemeinschaft "Arme Dienstmägde Jesu Christi" errichtet in Zeilsheim einen kleinen Konvent mit drei Schwestern. Unter großer Anteilnahme der Zeilsheimer werden die Schwestern am 27. April 1911 in Zeilsheim willkommen geheißen. Sie werden notdürftig im ältesten Schulhaus (siehe auch unter 1682-1690) neben der Kirche untergebracht und widmen sich fortan der Krankenpflege und der Arbeit im Kindergarten. 1932 wurde das Gebäude bei der Erweiterung der Kirche abgerissen.

Erst im Jahre 1913 können die Dernbacher Schwestern in ein eigenes Schwesternhaus umziehen, das in einer Bauzeit von sechs Monaten in der Saalfelder Straße errichtet wurde. An das Schwesternhaus angegliedert ist ein eigener Kindergarten, der im Jahr der Einweihung von 100 Kindern besucht wird. Erstmals stehen in dem neuen Gebäude auch fünf Wohnungen für alleinstehende Menschen und eine Wohnung für den Kaplan zur Verfügung.

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Erstes Zeilsheimer Schulhaus
("Lehmkaut" genannt)

1690 wurde das Haus zum Schulehalten und als Lehrerwohnung errichtet. Bis 1834 diente das Gebäude gleichzeitig als Gemeindehaus. Das Haus wurde 1820 um einen Klassenraumtrakt erweitert (Anbau rechts) und bis 1889 unterrichtlich genutzt. Danach war es Dienstwohnung für "unverheiratete Lehrer" und 1911 - 1913 katholisches Schwesternhaus.
1932 wurde das Gebäude bei der Erweiterung der Kirche abgerissen.

1912

Die Zahl der evangelischen Christen in Zeilsheim ist inzwischen so weit angestiegen, dass in Zeilsheim endlich auch eine evangelische Kirche gebaut und eine eigene Gemeinde errichtet wird. Das Gelände spendet die Farbwerke und gibt außerdem zu den Gesamtkosten von 79.000 Goldmark einen Zuschuss von 10.000 Mark. Zur Ausstattung der Kirche gehören eine Turmuhr, drei Glocken und eine Orgel.

Die Schule ist, nachdem mit dem zweiten Bauabschnitt der "Kolonie" die Bevölkerung weiter gewachsen ist, erneut zu klein und wird um einen zweiten Schultrakt (Nordostflügel der Käthe-Kollwitz-Schule) mit neun Klassenräumen sowie einer Rektorenwohnung, einem Lehrer- und einem Lehrmittelzimmer erweitert.

Auch der Friedhof genügt nicht mehr den Anforderungen der Gemeinde und so wird der alte Friedhof nicht mehr genutzt und 1941 niedergelegt. Ein neuer größerer Friedhof wird am Ortsausgang nach Kriftel hinter dem Welschgraben angelegt. Dieser Friedhof wird auch noch heute genutzt.

ab 1912

Die katholische Kirche ist zu klein, da die Gemeinde inzwischen auf fast 2000 Seelen angewachsen ist. Der Vorgänger von Pfarrer Weil, Friedrich Sehrbrock, versuchte bereits seit 1910 das Problem mit drei Sonntagsgottesdiensten zu lösen, doch auch diese Maßnahme kann keine Abhilfe schaffen.

Der Wunsch nach einem Neubau der Kirche führt dazu, dass die Gemeinde in Verhandlungen mit der Provinzregierung in Wiesbaden tritt, um die Finanzierung des Neubaus gemäß der alten Patronatsverpflichtungen von 1755 zu klären.

Als Zeilsheim mitten in den Wirren des Ersten Weltkrieges, im Jahre 1917, nach Höchst eingemeindet wird, muss auch der Magistrat der Stadt Höchst am Main an den Verhandlungen beteiligt werden. Zwar wurden bereits mehrere Entwürfe in Auftrag gegeben, doch scheitert das Bauvorhaben zunächst an den anhaltenden Problemen durch den Ersten Weltkrieg und später dann an den Folgen des Krieges und der Weltwirtschaftskrise.

1914 - 1918

Ausgelöst durch die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 durch serbische Nationalisten in Sarajevo und bestärkt durch die sogenannte "Blankovollmacht" durch Deutschland, stellt Österreich-Ungarn Serbien am 23. Juli 1914 ein Ultimatum, das für Serbien unannehmbar ist. Nach der Ablehnung des Ultimatums durch Serbien erklärt Österreich-Ungarn Serbien am 28. Juli 1914 den Krieg.

Durch die verschiedenen Bündnissysteme wird eine Kettenreaktion ausgelöst, die zur Folge hat, dass sich alle Großmächte ab dem 12. August 1914 im Kriegszustand befinden. 1917 treten auch die Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg ein, da Deutschland den uneingeschränkten U-Boot-Krieg ankündigt.

Als im Sommer 1918 der Krieg nicht mehr zu gewinnen zu sein scheint, die deutsche Hochseeflotte aber dennoch gegen die stärkere Royal Navy in den Krieg ziehen soll, meutern die Matrosen. Diese Meuterei entwickelt sich schnell zur Revolution. Am 9. November 1918 dankt Kaiser Wilhelm II. ab und Philipp Scheidemann ruft die Republik aus. Am 11. November 1918 unterzeichnet Deutschland im Wald von Compiégne den Waffenstillstand.

Während des Krieges fallen auch viele Zeilsheimer auf den Schlachtfeldern in Frankreich und Russland. Die Kirchengemeinden müssen im Verlauf des Krieges ihre Glocken zur Einschmelzung an das Militär übergeben. Dadurch hängt im Turm der Bartholomäuskirche seitdem nur noch eine Glocke; die evangelische Gemeinde muss sogar alle drei Glocken herausgeben.

Verfasser:

Alexander von Janta-Lipinski

Quellen:

Vollert, Adalbert:
Zeilsheim - Ein Frankfurter Stadtteil in alter und neuer Zeit (Herausgegeben von der Frankfurter Sparkasse von 1822)

Kinder, Hermann; Hilgemann, Werner:
dtv-Atlas zur Weltgeschichte Band 1, 24. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1990

Kinder, Hermann; Hilgemann, Werner:
dtv-Atlas zur Weltgeschichte Band 2, 28. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1994

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