Die Zweifelnde

Daß ich so bald vertrauend bin,
kann ich dir nicht versprechen.
Ich gab mein Leben gläubig hin
Und sah es dann zerbrechen.

Ich will ja nur ein kleines Stück,
geheilt von deinen Händen,
als neues Unterpfand zurück.
Dann mag es milder enden

Jochen Klepper

Jochen Klepper, Ziel der Zeit. Die gesammelten Gedichte,
Bielefeld: Luther-Verlag 1980, 21.

Aufforderung zum Tanz

hebe dein angesicht

lass dich ansehen
richte dich auf
lass dich entführen
aus der trübsal der trauer
aus der quälenden starre
steh auf und lass dich mitnehmen
in das allmähliche schwingen
der musikgewordenen lebensliebe
tritt ein in deren behutsame kreise
auf noch immer müden beinen
wage ruhig den ersten schritt
das gefährdete dennoch
der hoffnung auf leben
es ist der auftakt zum tanz

Bruno Pockrandt

Bruno Pockrandt, Eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz.
Unterwegs von Advent zu Advent, Offenbach: Offenbacher Editionen 2014, 90.

Klopfzeichen

in der Traurigkeit
für die du keinen Namen findest

in der Unruhe
die dich ziellos umhertreibt

in den Träumen
die dir schlaflose Nächte bereiten

in dem Heimweh
das dich zu Hause befällt

in der Sehnsucht
die ausufert nach immer mehr

in all deinem Nichtfinden
da sucht ER dich

Andreas Knapp

Andreas Knapp, Weiter als der Horizont. Gedichte über alles hinaus,
Würzburg: Echter 2002, 32.

Auferstehung

Kommen Sie doch näher,

sagt die Stimme,
hängen Sie ihre Schwermut
an den Nagel
des Universums

Und bitte,
betrachten Sie
Ihr Scheitern
als gescheitert

Raymond Dittrich

Raymond Dittrich, Leichter als Staub – Schwerer als Worte. Gedichte,
Leipzig: Engelsdorfer Verlag 2010, 59.

WAS ICH BRAUCHE

Brauche ich Gott?

Ich brauche Menschen,
deren Mut
den meinen weckt.

Ich brauche Menschen,
deren Mut mir zuruft,
dass Gott mich braucht.

Auch mich.

Kurt Marti

Kurt Marti, Ungrund Liebe. Klagen, Wünsche, Lieder,
Stuttgart: Radius Verlag 2004, 33.

Gaudeamus

wann habe ich
mich zuletzt gefreut
wann bin ich
zum letzten mal aufgelebt
habe zum letzten mal
das grau übersprungen
im dunst die farben geahnt
wann gab ich der trauer
den abschiedskuss
noch immer tief verbunden
doch schon auf dem weg
in hellere gefilde
mit lachendem mund
wann habe ich zuletzt
den grund gespürt
der mich trägt
mich bewahrt
mich hält

Bruno Pockrandt

Bruno Pockrandt, Eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz.
Unterwegs von Advent zu Advent, Offenbach: Offenbacher Editionen 2014, 26.

Durchbruch

Farben
voll Kontrast
fragen an
bringen Leben ins Spiel
ins Althergebrachte

Herkömmliches zerbricht
Vertrautes steht Kopf

neue Räume
lichtvolle
tun sich auf

neues Leben
wächst

es
grünt

Heidrun Bauer

Heidrun Bauer, Glaubensspuren. Nachfolge konkret,
Würzburg: Echter 2013, 51.